Vom Mitarbeiter zum Entrepreneur und vom Ehemann zum Papa. Verschiedene Unternehmen durfte ich im 2019 begleiten, dabei spannende Menschen kennenlernen und einen dreimonatigen Vaterschaftsurlaub wagen. Wie es um Herr Bürlis Finanzen steht und was es sonst noch Kurioses zu erzählen gibt – Jahresbericht 2019!
Wer liest schon gerne einen Jahresbericht? Ausser er ist authentisch wie der von meinem Kollegen Andreas Keller. In seinem Blogeintrag schreibt er über sein Geschäftsjahr mit allen Erfolgen und Fehlschlägen. Das hat mich dazu bewegt, auch mein Jahr zu reflektieren und ein Jahresbericht zu verfassen. Als Nebenwirkung erhoffe ich mir, ein paar Menschen zu ermutigen, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen.
Ende 2018 entschied ich mich definitiv für meine Selbständigkeit. Als es bei meinem damaligen Arbeitgeber, der Agentur Basel West, strukturelle Veränderungen gab, musste ich mich entscheiden: Möchte ich weiter in einer Agentur arbeiten oder selber etwas anreissen? Nach vielen Gesprächen mit Fellow-Coworkern und meiner Frau stand mein Entschluss fest.
Im Dezember startete ich mit der Planung meines Unternehmens – glücklicherweise nicht bei Null. Meine Einzelfirma war schon seit Jahren angemeldet. Mein Brand «Herr Bürli» bestand ebenfalls. So musste ich vor allem formelle Angelegenheiten klären. Ich eröffnete ein Geschäftskonto und entschied mich für einen Arbeitsplatz im Effinger Coworking Space. Was jedoch fehlte, war ein geschärftes Angebot, eine klare Positionierung und ein Geschäftsmodell. Da ich zum damaligen Zeitpunkt noch angestellt war, nahm ich mir eine Woche frei, um ein Geschäftsmodell zu entwickeln und meinen Webauftritt zu überarbeiten.
Ich wusste, eine Woche ist kurz. Um den nötigen Fokus zu gewährleisten, entwickelte ich einen straffen Zeitplan. Im Zentrum stand die Frage: Was sind die Bedürfnisse meiner zukünftigen Kunden und wie kann ich diese in meinem Geschäftsmodell abbilden. Rückblickend war diese Strategie-Woche unglaublich wertvoll für meinen Start. Das Vorgehen «Web Sprint – Relaunche deine Website in 5 Tagen» habe ich im Anschluss veröffentlicht. Mein Service beinhaltete fortan Branding Strategie, UX Design & Business Innovation mit Fokus auf KMU’s und Start-ups.
Aussergewöhnliche Projekte
Ich arbeitete dieses Jahr in unterschiedlichen Team-Konstellationen. Dies gab jedem meiner Projekte eine einmalige Note. Ich bin dankbar, bei wertebasierten Unternehmen wie Südland und VillageOffice mitwirken zu dürfen. Es gab auch ein paar Projekte, die mir speziell in Erinnerung bleiben werden:
Das Projekt von «Asteroids Lab». Das frisch gegründete Unternehmen setzte alles auf eine Karte, um ein Mars-Computergame zu entwickeln. Nach unserem gemeinsamen UX-Workshop verfolgte ich stets die Weiterentwicklung. Gerade kürzlich bekam das Team einen Förderbeitrag von Pro Helvetia und eine Einladung an eine Messe in San Francisco.
Oder das Design für ein Intranet eines Grosskonzerns. Ich stellte mir vor, wie die Mitarbeitenden täglich damit arbeiten müssen und mein Design über Frust oder Freude entscheidet. Glücklicherweise waren die Rückmeldungen positiv.
Dann gab es auch Mini-Branding-Projekte wie beispielsweise für Urbane Dörfer – eine bottom-up Initiative für lebendige und zukunftsfähige Lebensräume.
Gerne spreche ich auch über meine Misserfolge. Beispielsweise entwickelte ich mit Politikberater Urs Vögeli ein neuartiges Intensivtraining für Politiker*innen. Ein eintägiger Event mit Auftrittskompetenz-Training und Live-Performance vor Publikum. Vielleicht zu progressiv – leider hat sich niemand angemeldet.
Dann gab es ein Projekt, das während dem Sprint schon wieder abgesagt wurde. Der Grund dafür waren interne Uneinigkeiten.
Ich realisierte in diesem Jahr, dass ich mich lieber auf wenige dafür grössere Projekte konzentrieren möchte, als auf viele Kleine.
Ich glaube an Teams, nicht an Produkte. Wenn die Zusammenarbeit und die Kultur stimmt, ist beinahe jedes Problem lösbar.
Zwischen Content, Coworking & Kunden
Zu Beginn des Jahres habe ich mich gefragt, wie ich Kunden gewinnen will? Ich bin kein Fan von kalter Akquise. Menschen ungefragt mit meinen Angeboten zu konfrontieren, finde ich schrecklich. Was mir hingegen gefällt, ist Content Marketing. Dabei geht es darum, dass ich hilfreichen Inhalt für meine gewünschte Zielgruppe veröffentliche – kostenlos. Dazu habe ich analysiert, was sind die Herausforderungen meiner potenziellen Kunden. Wie kann ich andere mit meinem Know-How unterstützen? Auf LinkedIn, Instagram, Facebook und meiner Website publizierte ich Tipps zu Branding, UX Design und Strategie. Anhand der wenigen Reaktionen dachte ich zuerst, dass meine Post auf wenig Interesse stossen. Dann erlebte ich immer häufiger, dass mich Menschen im realen Leben auf meine Arbeit ansprachen. Die grosse Masse konsumiert Social Media passiv und trotzdem bleiben erstaunlich viele Informationen hängen. Das wiederum half mir, mich als Branding Stratege und UX Designer zu positionieren. Auch Google platzierte mich durch meine Blogposts immer besser. Mit der Zeit kamen Kundenanfragen direkt über die Website rein. Und es ergaben sich Angebote für Interviews oder Gastbeiträge, wie beispielsweise für HolaBrief oder Publishing Blog.
Für mich war von Anfang an klar: Trotz Selbständigkeit möchte ich in Teams arbeiten. Die Gruppendynamik spornt mich an und ich schätze den Austausch. Im Effinger Coworking Space habe ich ein inspirierendes Umfeld aus Gleichgesinnten gefunden. Um den Austausch weiter zu fördern, organisierte ich regelmässige Treffen mit anderen Unternehmer*innen. Wir setzten uns zum Ziel, vermehrt Projekte gemeinsam umzusetzen und auch neue Services zu kreieren. Ein Gefäss, in dem Synergien, Selbstbestimmung und Gemeinwohl ausbalanciert werden.
Für jedes meiner Projekte stellte ich fortan ein Team zusammen. Sobald sich unternehmerisch-denkende Menschen mit gemeinsamer Vision versammeln, entstehen die besten Projekte. Einige Aufträge habe ich auch mit Unternehmen wie Basel West oder den Innoarchitects zusammen realisiert. In den verschiedenen Kollaborationen konnte ich jeweils ausprobieren, welche Form von Zusammenarbeit für mich am meisten Sinn ergab.
Vaterschaft und meine Auszeit
Ab der Geburt unseres Sohnes legte ich einen dreimonatigen Vaterschaftsurlaub ein. Im Vorfeld schrieb ich im Artikel «Entrepreneur und Vatersein – eine Entdeckungsreise» über mein Vorhaben.
Der Begriff «Vaterschaftsurlaub» ist irreführend. Zu einem Baby zu schauen, erlebte ich als kräftezehrende Arbeit. Ein Baby hat etwa alle drei Stunden Hunger – egal ob Tag oder Nacht. Durch den Schlafmangel stiess auch ich an meine persönlichen Grenzen. Mich auf die Bedürfnisse dieses kleinen Menschen einzulassen, war eine tiefgreifende Erfahrung. Ich lernte, dem kleinen Geschöpf Windeln zu wechseln, es zu baden, herumzutragen und zu beruhigen. Das wertvollste jedoch war, dass ich von Anfang an eine enge Beziehung zu meinem Sohn aufbauen konnte. Ich glaube, für uns Männer ist es am Anfang schwierig, die eigene Rolle zu finden. Meine Erfahrung war, je mehr ich mich darauf einliess, desto mehr gewann ich an Selbstsicherheit.
Auch wenn ich während meines Vaterschaftsurlaubs nicht gearbeitet habe, dachte ich viel über meinen Arbeitsalltag nach. Ich las Fachbücher und notierte mir viele Ideen. Mir wurde klar, das ich durch kleine Massnahmen im Alltag fokussierter arbeiten könnte, beispielsweise mit dezidierten Wochentagen für Meetings.
Nach meinem Vaterschaftsurlaub fuhr ich mein Unternehmen wieder hoch. Anfangs erlebte ich einen ziemlichen Kulturschock. Nach drei Monaten ohne Social Media, E-Mail, Telefon und Terminkalender musste ich mich wieder an diese Intensität von Informationsflut gewöhnen. Ich realisierte, in was für einer fragmentierten Welt ich eigentlich lebte. Und da ich mit einem 100% Pensum einstieg, vermisste ich auch die Zeit mit meinem Sohn. Meine Frau und ich haben uns so arrangiert, dass ich während der Woche gewisse Zeitfenster mit unserem Sohn verbringen kann – teilweise auch im Coworking Space. Mein Ziel ist es, dies in Zukunft weiter zu fördern.
Finanzen, Verantwortung und Werte
Über Geld sprechen wir Schweizer nicht gerne und über den Lohn schon gar nicht. Im Kreis von Unternehmer*innen erlebe ich jedoch einen lockeren Austausch über Finanzen. Geld ist einfach ein Mittel zum Zweck. Inspiriert von Entrepreneur Marco Jakob, der seine Finanzen jährlich veröffentlicht, möchte auch ich über meine Finanzen sprechen.
Verglichen mit einem Angestelltenlohn muss man als Unternehmer*in mindestens einen Drittel mehr einnehmen. Nur so können AHV, Vorsorge, Versicherungen, Steuern, Büromiete und vieles weitere finanziert werden. Meine Firma habe ich mit einem Startguthaben von 30’000 Fr. gegründet. Ich wollte einen finanziellen Spielraum für die ersten Monate schaffen. Als Ziel habe ich mir einen Jahresumsatz von 88’000 Fr. vorgenommen.
Im 2019 habe ich nun einen Umsatz von 101’500 Fr. erwirtschaftet und somit wurden meine Erwartungen übertroffen. Neu bin ich mit diesem Umsatz ab 2020 mehrwertsteuerpflichtig. Höhere Einnahmen erlauben mir, wählerischer bei der Auftragswahl zu sein und ein Polster anzulegen.
Das Thema Finanzen und Verantwortung hat mich auch darauf gebracht, dass ich die Werte meines Unternehmens (work-in-progess) erarbeiten möchte.
Ausblick ins 2020
Im neuen Jahr nehme ich mir wieder eine Woche Zeit, meine Strategie für 2020 festzulegen. Es stehen auch schon spannende Projekte an. Zudem arbeite ich zur Zeit an einem digitalen Produkt. Es ist ein «Website Strategie Kit» für KMU’s, Start-ups und Webdesigner. Weiter bin ich im Gespräch mit einem Start-up, wo es um eine mögliche Teilhabe geht. Es bleibt also spannend.
Ich bin beeindruckt und dankbar, wie mein Unternehmen «Herr Bürli» im 2019 durchstarten durfte. Ohne die Tatkräftige Unterstützung der ganzen Effinger Community, meiner Frau und vielen weiteren Menschen wäre dies nicht möglich gewesen. Ich wünsche mir, dass mein Jahresbericht Menschen inspiriert, den Schritt ins Unternehmertum zu wagen.
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